Donnerstag, 5. Oktober 2023

Mrs. Dalloway // Virginia Woolf

 
 DIE STUNDEN EINES TAGES FÜLLEN
 
 
Meine Meinung
An Virginia Woolfs "Mrs. Dalloway" hatte ich ein bisschen zu knabbern. Der englische Klassiker folgt den stündlichen Glockenschlägen des Big Ben und erzählt so über einen Tag aus Clarissa Dalloways Leben, an dem sie abends eine Party schmeißt und dafür Vorbereitungen trifft. Doch durch die gewaltige Komplexität ist es viel mehr als nur eine oberflächliche Partyvorbereitung, vielmehr dient diese Party als Ausgangspunkt verschiedenste Menschen kennenzulernen.
 
Woolf springt von Charakter zu Charakter und gibt Einblicke in die tiefsten Bewegungen der Seelen. Zeigt Lebensentwürfe, die von außen nicht erkennbar sind, und geht Gedankengängen entlang, die mal im Sonnenlicht, mal im Dunkeln enden. Mit der Zeit verbinden sich die Schicksale miteinander und ein unsichtbarer Faden hält alles zusammen. Neben Clarissa hat Septimus Smith einen größeren Erzählstrang. Er ist so der Gegenpol zu ihr und wenn man Virginia Woolfs Lebensgeschichte kennt, berührt seine Geschichte umso mehr. Er war für mich auch der interessanteste Charakter von allen. Seine Zerissenheit wird sehr gut dargestellt.
 
Ich hatte daran zu knabbern, dass diese Übergänge oft fast nahtlos geschehen und ich mit dem Wechsel nicht immer mitgekommen bin. Außerdem wird in einer Wurst erzählt - ohne Pause, Kapitel oder Sonstiges. Das macht es einerseits einfacher aber gleichzeit auch notwendig, mehr an einem Stück zu lesen, um nicht aus dem Fluss zu kommen und auch, um sich ein besseres Bild davon zu machen, wie alles zusammenhängt, wann der Gedankenstrom einer Person endet und ein anderer anfängt und welche Zeitsprünge gerade passieren. Woolfs Darstellung gewisser gesellschaftlicher Schichten ist sicher nicht wahllos.

Sprachlich hat es mich jetzt auch nicht so mitgerissen. Ich habe sehr lange beim Lesen gebraucht und musste mich immer wieder neu darauf einlassen. Ich habe es aber nicht bereut. Woolf hat hier durchaus einen großen Roman geschrieben, der sehr subtil kritisch ist und eine besondere Art des Erzählens aufweist.


Fazit
Wer sich auf durchgehende Gedankenströme einlassen kann, wird mit komplexen, aber durchaus feinfühligen Charakterdarstellungen belohnt, die das Leben einfangen und zeigen, dass man nie in den Kopf einer anderen Person hineinschauen kann. In "Mrs. Dalloway" geht das und es ist gelungen!

 

 

Infos
  • Autorin: Virginia Woolf wurde am 25. Januar 1882 in London geboren und wuchs im großbürgerlichen Milieu des viktorianischen Englands auf. Ihr Leben war geprägt von wiederkehrenden psychischen Krisen. 1912 heiratete sie Leonard Woolf. Zusammen gründeten sie 1917 den Verlag "The Hogarth Press". Ihr Haus war eines der Zentren der Künstler und Literaten der Bloomsbury Group. Am 28. März 1941 nahm Virginia Woolf sich, erneut bedroht von einer Verdunkelung ihres Gemüts, das Leben. (Quelle: https://www.penguin.de/Autor/Virginia-Woolf/p176157.rhd 05.10.2023)
  • Einband: fester Einband
  • Seitenanzahl: 400 Seiten
  • Verlag: Manesse
  • ISBN: 978-3-7175-2556-1

 

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