Dienstag, 28. Februar 2023

Das verbotene Notizbuch // Alba de Céspedes

 EIN TAGEBUCH FÜR SICH ALLEIN

 

Meine Meinung

Im Rom der Nachkriegsjahre fängt Valeria heimlich an über ihr Leben zu schreiben. Sie reflektiert ihre Beziehungen, hinterfragt Traditionen und findet schreibend langsam wieder zu sich selbst zurück. Ihr bisheriges Leben hat sie ausschließlich ihrer Familie gewidmet, von ihrem Mann wird sie "Mamma" genannt und für ihre beiden (fast erwachsenen) Kinder als selbstverständlich wahrgenommen. Zur finanziellen Unterstützung für die Familie arbeitet sie als Sekretärin in einem Büro, was in den 50er Jahren noch ungewöhnlich war für eine Frau. Von außen betrachtet leise und kaum sichtbar, in ihrem Tagebuch ein Sturm - so geht ihre Rebellion einher.

Schreiben wird für sie zur Flucht aus dem Alltag, aus dem sie nicht ausbrechen kann. Man verfolgt ihre Gedankengänge und ihr Innenleben. Beides verändert sich im Laufe der Zeit. Valeria hat eine sehr scharfe Beobachtungsgabe und stellt kluge Reflexionen an. Ihr für sie scheinbar perfektes Leben bekommt aber Risse, weil sie endlich erkennt, was sie alles dafür aufgeopfert hat - sich selbst. Der ständige Kampf mit ihrer Tochter, die veraltete Rollenbilder nicht mehr leben will, und das übermäßige bemuttern des Sohnes waren für mich mit der Zeit etwas anstrengend. Es treffen zwei verschiedene Generationen aufeinander und der Umbruch wird klar deutlich, ebenso, dass Valeria nicht bereit dafür ist. Valeria erkennt zwar, dass ihr Leben nicht so selbstbestimmt ist, wie sie es gerne hätte, ändert aber auch nichts an ihrer Situation. Sie schreibt über all die Dinge, die eigentlich nicht auszuhalten sind, lässt sie aber doch immer wieder über sich ergehen. Letzteres fand ich mit der Zeit frustrierend und doch denke ich mir, dass ihr Leben für ganz viele Frauenleben steht, die Ausprägungen ihrer Zeit waren.

Wir wissen so vieles nicht von diesen Frauen, was sie dachten, warum sie welche Entscheidungen getroffen haben, nach welchen Prinzipien sie gelebt haben, weil natürlich auch ganz viel Frauengeschichte nicht erzählt wurde, weil Frauen nicht die Chance gegeben wurde, sich zu entfalten, weil alles sehr männerdominiert war. Das verbotene Notizbuch ist Kritik an dieser Gesellschaft, die Frauen keinen Raum für sich gegeben hat. Alles, was sie taten, musste "produktiv" sein. Tagebuch schreiben zählte da sicher nicht dazu. 

Fazit
Ein Roman, der historisch eingeordnet, ein Augenöffner sein kann für den Weg, den wir gesellschaftlich schon gegangen sind. Ein Exempel dafür, dass Schreiben dein Leben verändern kann und man sich dadurch weniger alleine fühlt mit der Last des Lebens.




Infos
  • Autorin: Alba de Céspedes wurde 1911 in Rom geboren, als Tochter eines kubanischen Vaters und einer italienischen Mutter. Ihr erster Roman fiel wegen seiner zu selbstbestimmten Frauenfiguren der Zensur zum Opfer. Während des Krieges war de Céspedes im aktiven Widerstand und wurde zweimal inhaftiert. Später arbeitete sie als Radio- und Fernsehjournalistin, schrieb Prosa, Lyrik und fürs Theater. Ihre Romane waren internationale Bestseller. Alba de Céspedes starb 1997 in Paris. (Quelle: https://www.suhrkamp.de/person/alba-de-cespedes-p-15816 27.02.2023)
  • Einband: flexibler Einband
  • Seitenanzahl: 302 Seiten
  • Verlag: Insel Verlag
  • ISBN: 978-3-458-68242-4

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen