Samstag, 9. Mai 2020

Rezension: Mrs Fletcher // Tom Perrotta


AN DER GRENZE DES ERTRÄGLICHEN


Meine Meinung
Brendan geht aufs College und seine geschiedene, 46-jährige Mutter Eve (Mrs Fletcher) ist plötzlich mit ihrem verlassenen "Nest" konfrontiert. Mit ihrer neu gewonnenen Freiheit umzugehen, ist für sie anfangs nicht leicht und sie merkt, dass sie sich selbst neu (er)finden muss, um mit den Veränderungen klarzukommen. Bei beiden steht ein Neustart an.

Aus unterschiedlichen Perspektiven, zwei davon sind Brendan und Eve, wird eine nicht vorhandene Handlung auf mehr als 400 Seiten in die Länge gezogen. Der Autor Tom Perrotta wollte viel, hat aber wenig mit seiner Geschichte geschafft. Ein Klischee reiht sich an das andere, die Darstellung der Frauen ist grenzwertig bis abartig, Hautfarben werden besonders hervorgehoben und von sexueller Freiheit sind die Protagonisten noch weit entfernt, auch wenn die Geschichte daherkommt, als würde sie das alles kritisch betrachten. Vielleicht habe ich auch einfach Perrottas Humor nicht verstanden, heißt es doch am Klappentext, es sei ein rasend komischer Roman. Gelacht habe ich nie. Mir kopfschüttelnd an die Stirn gegriffen dagegen öfters.

Die Gender-, Feminismus- und Sex-Thematik zieht sich durch das ganze Buch. Lobenswert zu erwähnen ist hier, dass es meistens einfach selbstverständlich in der Geschichte vorkommt, ohne eine große Sache daraus zu machen. Aber es liest sich mehr so, als hätte der Autor eine Liste neben sich liegen gehabt und wollte alle Punkte darauf abhaken: Transidentität, verschiedene sexuelle Orientierungen, Menschen mit Behinderungen, psychische Gesundheit, Pornografie, Mobbing, (Patchwork-)Familie, Datingapps, sexuelle Belästigung.

Jemand, der/die eine heteronormative Weltanschauung besitzt, wird sich mit diesem Buch schwertun, aber viele Ansätze finden, wie unterschiedlich Menschen wirklich sein können. Durch die Überladung an Themen gelingt es Perrotta nur, diese an der Oberfläche anzukratzen und viele lose Fäden in die Geschichte einzuführen, die dann im Nichts verlaufen. Den roten Faden habe ich vergeblich gesucht. Die Charaktere handeln und denken oft im genauen Gegenteil, was der Autor eigentlich vermitteln wollte, bzw. was ich annehme, das er vermitteln wollte. Eve und vor allem Brendan waren mir so unsympathisch, aufrichtige Tiefe  habe ich bei beiden schmerzlich vermisst. 

Fazit
Leider hat der Autor keine wirkliche Ahnung wovon er schreibt. "Mrs Fletcher" ist eine schwammige Geschichte, deren großer Aufhänger "Neustart" durch wenig Tiefe, Intensität und Spannung die Erwartungen nicht erfüllen kann.



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Infos
  • Autor: Tom Perrotta wurde 1961 in Garwood, New Jersey geboren. Seine Romane (u.a. Little Children mit Kate Winslet in der Hauptrolle) werden regelmäßig fürs Kino verfilmt. Perrotta lebt in der Nähe von Boston. (Quelle: https://www.dtv.de/autor/tom-perrotta-21898/ 9.5.2020)
  • Einband: fester Einband
  • Seitenanzahl: 416 Seiten
  • Verlag: dtv
  • ISBN:  978-3-423-28175-1 
Inhalt laut Verlag 
Das Leben ist zu kurz, um sexuell frustriert zu sein
Gerade war Eve Fletcher noch alleinerziehende Mutter, da zieht ihr Sohn Brendan aus und Eve findet sich im leeren Nest wieder. Neue Ziele müssen her. Der Abendkurs zum Thema ›Gender und Gesellschaft‹ ist da schon ein Anfang. Nicht minder aufregend: Sexfilme im Internet. Besonders beschäftigt Eve ihre Entdeckung der ›MILF‹ – könnte sie selbst damit auch gemeint sein? Und während Eve ihre Sexualität ganz neu erlebt, muss Brendan am College lernen, was es nicht heißt, ein Mann zu sein. Klug, hintergründig und hinreißend komisch erkundet Mrs. Fletcher Sex, Begehren und Elternschaft in Zeiten sich rasant wandelnder Geschlechterrollen.



Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!

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